Sicherheitsmanagement im Klinikum – Notwendigkeit, Aufgaben und organisatorische Verankerung im Kontext kritischer Infrastrukturen

Krankenhäuser zählen zu den komplexesten und sensibelsten Einrichtungen unserer Gesellschaft. Sie versorgen täglich Menschen in gesundheitlichen Ausnahmesituationen, arbeiten mit Hochtechnologie, sensiblen Daten und erfordern rund um die Uhr funktionierende Abläufe. Während große Industrieunternehmen und Betreiber kritischer Infrastrukturen in anderen Sektoren – wie Energie, Verkehr, Wasserwirtschaft oder Telekommunikation – seit vielen Jahren über strukturierte Sicherheitsorganisationen verfügen, ist dieses Niveau im Gesundheitssektor noch nicht flächendeckend etabliert.

Dabei ist gerade ein Klinikum ein besonders schützenswerter Bereich. Schon kurze Ausfälle von IT-Systemen, Personalengpässen, Gebäudetechnik oder medizinischen Kernprozessen können unmittelbare Folgen für Patientenversorgung und medizinische Leistungsfähigkeit mit sich bringen. Ein strukturiertes Sicherheitsmanagement schafft hier den Rahmen, um Risiken frühzeitig zu erkennen, Gefahren zu minimieren und Handlungsfähigkeit jederzeit sicherzustellen.

Warum benötigt ein Klinikum ein Sicherheitsmanagement – und warum besonders im KRITIS-Kontext?

Viele Krankenhäuser gehören aufgrund ihrer Versorgungsrelevanz zur kritischen Infrastruktur (KRITIS). Fällt ein Klinikum aus, betrifft dies nicht nur technische Systeme, sondern direkt die Gesundheit und Sicherheit von Menschen. Die Auswirkungen reichen von eingeschränkten OP-Kapazitäten bis hin zu Notfallversorgungsengpässen in ganzen Regionen.

Als Betreiber kritischer Infrastrukturen unterliegt ein Klinikum daher besonderen gesetzlichen Anforderungen. Dazu zählen unter anderem:

  • Einführung und Aufrechterhaltung organisatorischer und technischer Sicherheitsmaßnahmen

  • Nachweis eines funktionierenden Informationssicherheits- und Risikomanagementsystems (z. B. nach B3S)

  • Meldepflichten bei sicherheitsrelevanten Ereignissen, insbesondere im IT-Bereich

  • Aufbau einer belastbaren Notfall- und Krisenorganisation

Diese Vorgaben schaffen klare Rahmenbedingungen. Entscheidend ist jedoch deren praktische Umsetzung im Krankenhausalltag. Genau hier setzt das Sicherheitsmanagement an: Es strukturiert Anforderungen, übersetzt Regelwerke in gelebte Prozesse und sorgt dafür, dass Sicherheit nicht zufällig entsteht, sondern systematisch.

KRITIS definiert die Pflicht – Sicherheitsmanagement schafft die Fähigkeit.

Welche Aufgaben übernimmt das Sicherheitsmanagement?

Ein Klinikum ist ein dynamisches System mit vielen Schnittstellen. Sicherheitsrelevante Themen entstehen täglich – in der Notaufnahme, bei technischen Anlagen, im Datenverkehr, bei Besucherströmen sowie in der Kommunikation mit externen Partnern. Ohne zentrale Koordination entstehen Insellösungen, Doppelstrukturen oder unklare Verantwortlichkeiten.

Das Sicherheitsmanagement übernimmt an dieser Stelle eine Schlüsselrolle zwischen Prävention, Steuerung, Überwachung und Krisenbewältigung. Es sorgt dafür, dass Risiken nicht erst sichtbar werden, wenn der Schaden bereits eingetreten ist.

Zentrale Aufgaben sind u. a.:

  • Risikomanagement und Gefährdungsanalyse

  • Planung, Aufbau und Weiterentwicklung der Notfall- und Krisenorganisation

  • physische Sicherheit: Zutrittskontrolle, Objektschutz, Brandschutzkoordination

  • IT- und Informationssicherheit in Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung

  • Schutz von Patienten und Mitarbeitenden inkl. Deeskalations- und Schutzkonzepte

  • Übungen, Trainings und Unterweisungen zur Krisen- und Einsatzfähigkeit

  • Auswertung von Vorfällen und Lessons Learned zur kontinuierlichen Optimierung

  • Kommunikation mit Behörden, Rettungskräften und externen Partnern

Damit bündelt das Sicherheitsmanagement alle relevanten Sicherheitsbereiche zu einem ganzheitlichen System. Es ist nicht operativer Einzelakteur – es ist das Steuerungszentrum der Sicherheit im Klinikum.

Wo ist das Sicherheitsmanagement organisatorisch einzuordnen?

Damit Sicherheitsprozesse verbindlich wirken können, benötigt das Sicherheitsmanagement eine angemessene Position im Organigramm. In der Praxis hat sich die Verankerung als Stabsstelle direkt bei der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand bewährt.

Dies gewährleistet:

  • strategische Durchsetzungsfähigkeit im gesamten Klinikum

  • kurze und klare Entscheidungswege

  • Zugriff auf relevante Informationen und Ressourcen

  • Neutralität im Zusammenspiel aller Fachbereiche

Flankierend empfiehlt sich der Aufbau eines Netzwerks aus Sicherheits- und Fachbeauftragten in Klinikeinheiten wie Pflege, Medizin, Technik, IT, Verwaltung oder Medizintechnik. Die Stabsstelle steuert und priorisiert – die Bereiche setzen praxisnah um und melden zurück. Sicherheit wird damit zu einer gemeinsamen Aufgabe, nicht zu einer isolierten Pflicht.

Ebene Aufgabe Nutzen
Geschäftsführung/Vorstand strategische Vorgaben, Priorisierung, Entscheidungen Sicherheit als Führungsaufgabe verankert
Sicherheitsmanagement (Stabsstelle) Koordination, Richtlinien, Krisenführung, Risikoüberblick zentrale Steuerungs- und Meldestelle
Bereiche/Beauftragte operative Umsetzung im Alltag Nähe zum Geschehen, Praxiserfahrung

Was passiert, wenn ein Klinikum kein Sicherheitsmanagement hat?

Fehlt eine zentrale Sicherheitsorganisation, entstehen strukturelle und operative Risiken. Sicherheitsprozesse entwickeln sich uneinheitlich, Verantwortungen bleiben unklar und Vorfälle werden erst reaktiv statt präventiv behandelt.

Konsequenzen:

  • schwierige Nachweisführung bei Audits

  • Sicherheitslücken bleiben unerkannt oder unkoordiniert

  • Krisenstäbe reagieren verzögert, Informationen gelangen nicht zusammenhängend

  • IT- oder Versorgungsunterbrechungen führen zu längeren Ausfällen

  • erhöhte Haftungs- und Reputationsrisiken

Ein Klinikum ohne Sicherheitsmanagement gleicht einem Schiff ohne Navigation – es fährt, aber gerät im Sturm schnell in Gefahr.

Fazit

Ein Sicherheitsmanagement ist kein optionales Zusatzsystem, sondern ein elementarer Baustein moderner Krankenhausführung. Es gewährleistet Versorgungssicherheit, stabilisiert Prozesse, schützt Patienten und Mitarbeitende und erfüllt zentrale KRITIS-Anforderungen.

Wo Sicherheitsmanagement professionell aufgestellt ist, entsteht Resilienz.

Wo es fehlt, entsteht Risiko.

Ein Klinikum gewinnt damit nicht nur Sicherheit – sondern Handlungsfähigkeit.