Widerstände als Wegweiser
„Was den Weg versperrt, wird zum Weg.“ – Diese Erkenntnis, die auf den römischen Kaiser Marcus Aurelius zurückgeht, birgt eine überraschend aktuelle Relevanz für die Sicherheitsplanung in kritischen Infrastrukturen (KRITIS).
Gebäude in KRITIS-Sektoren sind weit mehr als Hüllen oder Betriebsstätten – sie sind physische Träger systemrelevanter Funktionen. Ihre Sicherheit bestimmt im Ernstfall darüber, ob Versorgung, Kommunikation oder Schutz der Bevölkerung aufrechterhalten werden können. Dabei ist es nicht allein der Schutz vor bekannten Gefahren, der zählt, sondern die Fähigkeit, auf das Unerwartete vorbereitet zu sein – durchdacht, flexibel und robust.
Kritische Infrastrukturen und physische Sicherheit im Kontext
KRITIS-Einrichtungen sind durch Gesetze und Richtlinien (wie das KRITIS-Dachgesetz oder die EU-Richtlinie NIS2) dazu verpflichtet, umfassende Schutzkonzepte umzusetzen. Die physische Sicherheit der Gebäude ist hierbei ein zentraler Pfeiler.
Wichtige Schutzaspekte umfassen:
-
Zutrittskontrolle und Perimeterschutz: Kontrolle über den Personenfluss, Schutz vor unbefugtem Zugang.
-
Bauliche Sicherheitsstruktur: Widerstandsfähigkeit gegen Einbruch, Explosion, Feuer oder Naturgefahren.
-
Technische Ausfallsicherheit: Redundanzen in Stromversorgung, Datenanbindung und Kühlungsinfrastruktur.
-
Evakuierungs- und Notfallmanagement: Strukturiertes Verhalten im Störfall, Rettungswege, Sammelpunkte, Schulung des Personals.
Ein Gebäude, das in sich sicher geplant ist, wirkt nicht nur als Schutzschild – es fungiert als aktives Element der Krisenbewältigung.
Vom Schwachpunkt zur Lösungsquelle
In der Praxis zeigen sich häufig Schwachstellen in bestehenden Sicherheitskonzepten. Diese werden mitunter als reine Hindernisse oder Risiken gesehen. Doch gerade darin liegt der Schlüssel für Weiterentwicklung: Eine erkannte Schwäche kann den Impuls liefern, Prozesse, Technik und Organisation gezielt zu verbessern.
Beispiele aus der Sicherheitsberatung:
Erkannter Schwachpunkt | Lösungsansatz / Nutzen |
---|---|
Alte Zugangskontrollsysteme | Umstieg auf rollenbasierte, biometrische Systeme mit zentraler Steuerung |
Unterdimensionierte Technikräume | Neuplanung mit Redundanzflächen und räumlicher Trennung sicherheitskritischer Komponenten |
Überschwemmungsgefährdete Bereiche | Einbau automatischer Schutzvorrichtungen, Erhöhung technischer Anlagen |
Mangelnde Trennung interner Zonen | Zonierung nach Funktions- und Gefährdungskriterien, verstärkter Bereichsschutz |
Fehlende Szenarienplanung | Einführung regelmäßiger Notfallübungen und Stresstests mit realitätsnahen Szenarien |
Das Hindernis ist in diesen Fällen nicht das Ende des Planungsprozesses – es markiert seinen Wendepunkt.
Resiliente Sicherheitsarchitektur: Ein Führungsanspruch
Sicherheitsplanung für KRITIS-Gebäude ist keine rein technische Disziplin. Sie ist strategisch. Entscheidend ist nicht nur, was geschützt wird, sondern wie bewusst Schutz, Funktion und Organisationsstruktur ineinandergreifen. Wer Sicherheit ganzheitlich denkt, betrachtet jede Schwachstelle als potenzielle Quelle der Verbesserung.
Erfolgskritisch sind:
-
Systematische Risikoanalyse mit Einbindung aller Beteiligten
-
Regelmäßige Überprüfung der baulich-technischen Maßnahmen
-
Verknüpfung baulicher Sicherheit mit organisatorischen Prozessen
-
Sicherheitsbewusstsein in der Unternehmenskultur
Der Umgang mit Störungen – nicht ihre vollständige Vermeidung – ist heute der Gradmesser nachhaltiger Sicherheitskonzepte.
Architektur der Resilienz beginnt im Denken
In einer Welt zunehmender Komplexität und Bedrohungslagen genügt es nicht mehr, Gefahren abzuwehren. Kritische Infrastrukturen müssen darauf vorbereitet sein, im Ernstfall weiter zu funktionieren – notfalls unter schwierigen Bedingungen. Dazu braucht es Sicherheitsarchitektur, die flexibel, lernfähig und robust ist.
Oder anders gesagt: Das, was den Weg zu versperren scheint, kann – richtig verstanden – der Anfang eines besseren Weges sein.