Vorbereitung von Kliniken auf das KRITIS-Dachgesetz und Implementierung umfassender Sicherheitsmaßnahmen

Bisher lag der Schwerpunkt von Kliniken auf der medizinischen Versorgung und der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden. Sicherheitsaspekte wurden häufig nur punktuell berücksichtigt, etwa durch den Einsatz von Sicherheitstechnik an sensiblen Stellen wie Medikamentenlagern oder IT-Abteilungen. Mit dem Inkrafttreten des KRITIS-Dachgesetzes im Oktober 2024 werden Kliniken jedoch verpflichtet, umfassende Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren. Dieser Bericht beleuchtet die Herausforderungen und Strategien, mit denen Kliniken sich auf die neuen Anforderungen vorbereiten können, und zeigt, wie das KRITIS-Dachgesetz als Anstoß für notwendige Veränderungen dient.

1. Das KRITIS-Dachgesetz: Zukünftige Anforderungen und Notwendigkeiten

1.1 Frühere Sicherheitspraktiken in Kliniken

In der Vergangenheit waren Sicherheitsmaßnahmen in Kliniken oft auf konkrete, sichtbare Risiken beschränkt. Sicherheitsvorkehrungen wurden dort implementiert, wo sie als besonders notwendig erachtet wurden, wie in Medikamentenlagern oder bei teuren medizinischen Geräten. Diese punktuellen Maßnahmen führten jedoch dazu, dass viele potenzielle Risiken, die nicht sofort erkennbar waren, unbeachtet blieben.

1.2 Das KRITIS-Dachgesetz: Neue Herausforderungen ab Oktober 2024

Ab Oktober 2024 tritt das KRITIS-Dachgesetz in Kraft, das Kliniken als Teil der kritischen Infrastrukturen anerkennt, die für das öffentliche Leben unverzichtbar sind. Das Gesetz fordert, dass Kliniken umfassende Sicherheitsstrategien entwickeln, die alle Aspekte des Betriebs abdecken, einschließlich der Sicherstellung von Betriebsabläufen in Krisensituationen und dem Schutz vor komplexen, oft nicht unmittelbar sichtbaren Bedrohungen. Kliniken müssen sich bereits jetzt vorbereiten, um den Anforderungen des Gesetzes gerecht zu werden.

2. Ganzheitliche Sicherheitsansätze: Herausforderungen und Strategien

2.1 Verborgene Risiken erkennen

Ein umfassender Sicherheitsansatz erfordert das Erkennen und Verstehen von Risiken, die nicht sofort offensichtlich sind. In vielen Kliniken gibt es Beispiele für Sicherheitsvorfälle, die auf vermeintlich harmlose Situationen zurückzuführen sind, deren Risiken jedoch übersehen wurden.

Beispiel 1: Ein Medikamentendiebstahl in einer Zentralapotheke zeigt, wie leicht Sicherheitslücken ausgenutzt werden können. Kurz vor Geschäftsschluss bittet ein vermeintlicher Anlieferer den Rampenverantwortlichen, die Toilette im Lager nutzen zu dürfen. Der Verantwortliche, beschäftigt mit seinen Aufgaben, kontrolliert später nicht, ob der Mann das Lager wieder verlässt. Nach Feierabend wird die Apotheke verschlossen und die Alarmanlage scharfgeschaltet, die jedoch nur die Außenhaut des Gebäudes sichert. Der Kriminelle nutzt die Gelegenheit, um Medikamente zu stehlen und verlässt das Gebäude durch eine Nottür, was den Alarm auslöst. Bis die Sicherheitskräfte eintreffen, ist er jedoch längst entkommen. Obwohl das Lager nach dem Vorfall mit Bewegungsmeldern ausgestattet wird, zeigt das Beispiel, dass die eigentliche Ursache im unzureichenden Kontrollmechanismus lag. Eine Dienstanweisung, die vorschreibt, dass vor dem Scharfschalten der Alarmanlage alle Räume auf verbleibende Personen überprüft werden, hätte diesen Vorfall verhindern können.

Beispiel 2: Ein weiteres Beispiel betrifft eine Verwaltungsangestellte, die auch als Zahlstelle für bestimmte Dienstleistungen des Krankenhauses fungiert und dafür einen Tresor in ihrem Büro hat. Am Feierabend nimmt sie den Tresorschlüssel mit nach Hause, anstatt ihn an einem sicheren Ort im Krankenhaus zu deponieren. Dies stellt nicht nur ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, sondern gefährdet auch die Angestellte selbst. Ein Krimineller, der von dieser Praxis weiß, könnte die Angestellte auf ihrem Nachhauseweg überfallen oder in ihr Haus einbrechen, um den Tresorschlüssel zu stehlen. Dies würde nicht nur zu einem erheblichen Sicherheitsvorfall führen, sondern könnte auch zu Haftungsproblemen für die Angestellte führen.

2.2 Verständnis infrastruktureller Abhängigkeiten

Kliniken sind stark von anderen kritischen Infrastrukturen abhängig, darunter Energieversorgung, IT-Dienstleistungen und Lieferketten. Ein Ausfall in einem dieser Bereiche kann den gesamten Klinikbetrieb beeinträchtigen. Daher müssen Sicherheitsmaßnahmen nicht nur intern, sondern auch in Bezug auf externe Partner und deren Sicherheitssysteme geplant werden.

Beispiel: In einer Klinik kam es zu einem unerwarteten Ausfall eines wichtigen Lebensmittellieferanten, der die tägliche Verpflegung von Patienten und Personal sicherstellte. Der Lieferant konnte aufgrund von Lieferkettenproblemen seine Dienste mehrere Tage lang nicht erbringen. Da die Klinik keine sofort einsatzbereiten Alternativpläne hatte, standen die Verantwortlichen vor der Herausforderung, die Verpflegung sicherzustellen. Dies führte zu einer potenziellen Krise in der Patientenversorgung. Nach diesem Vorfall wurden Vereinbarungen mit alternativen Lieferanten getroffen, und es wurden Notfallpläne entwickelt, um sicherzustellen, dass die Versorgung auch bei einem Ausfall eines Hauptlieferanten gewährleistet bleibt. Darüber hinaus führte die Klinik regelmäßige Überprüfungen der Lieferketten durch, um zukünftige Risiken besser einschätzen und minimieren zu können.

2.3 Schrittweise Einführung und Priorisierung von Maßnahmen

Kliniken, die bisher wenig Erfahrung mit umfassenden Sicherheitsstrategien haben, sollten schrittweise vorgehen. Zunächst sollten die kritischsten Bereiche identifiziert und gesichert werden, wie beispielsweise die Sicherung von IT-Systemen gegen Cyberangriffe oder der Schutz teurer medizinischer Geräte. Sobald diese grundlegenden Maßnahmen implementiert sind, kann die Sicherheitsstrategie auf andere Bereiche ausgeweitet werden.

Beispiel: Eine Klinik begann mit der Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen im IT-Bereich, um die sensiblen Patientendaten zu schützen. Nach den ersten Erfolgen wurden die Maßnahmen auf andere Bereiche wie die physische Sicherheit der Lager und Operationssäle ausgeweitet.

3. Praktische Ansätze zur Umsetzung eines ganzheitlichen Sicherheitsansatzes

3.1 Technische und organisatorische Maßnahmen

Ein umfassender Sicherheitsansatz erfordert sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen. Technische Maßnahmen könnten Überwachungssysteme, Brandschutztechnik und IT-Sicherheitslösungen umfassen. Organisatorische Maßnahmen beinhalten die regelmäßige Schulung des Personals, die Entwicklung von Notfallplänen und die kontinuierliche Überprüfung und Wartung aller sicherheitsrelevanten Anlagen.

Beispiel: In einer Klinik wurde nach dem Vorfall mit dem Medikamentendiebstahl nicht nur das Lager mit Bewegungsmeldern ausgestattet, sondern auch eine neue Dienstanweisung erlassen. Diese fordert, dass vor dem Scharfschalten der Alarmanlage alle Bereiche überprüft werden, um sicherzustellen, dass keine unbefugten Personen im Gebäude verbleiben. Zusätzlich wurde für die Tresorverwaltung eine Regelung eingeführt, die sicherstellt, dass Tresorschlüssel niemals das Klinikgelände verlassen und sicher deponiert werden.

3.2 Kooperation mit externen Partnern

Da Kliniken stark von anderen kritischen Infrastrukturen abhängig sind, ist eine enge Zusammenarbeit mit externen Partnern unerlässlich. Dies umfasst die Abstimmung von Sicherheitsmaßnahmen mit Energieversorgern, IT-Dienstleistern und Lieferanten. Durch gemeinsame Notfallpläne und regelmäßige Abstimmungen können Synergien genutzt und die Sicherheit auf allen Ebenen erhöht werden.

Beispiel: In einer Klinik führte der unerwartete Ausfall eines Lebensmittellieferanten dazu, dass die Verantwortlichen erkennen mussten, wie anfällig ihre Lieferketten waren. In der Folge wurde eine enge Zusammenarbeit mit alternativen Lieferanten aufgebaut, um die Versorgung auch bei einem Ausfall des Hauptlieferanten sicherzustellen. Zudem wurden in regelmäßigen Abständen gemeinsame Übungen mit diesen Partnern durchgeführt, um die Krisenreaktion zu verbessern und die Notfallbereitschaft zu testen.

3.3 Regelmäßige Überprüfung und Anpassung

Ein ganzheitlicher Sicherheitsansatz erfordert eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Maßnahmen. Da sich sowohl interne als auch externe Bedrohungen ständig weiterentwickeln, muss die Sicherheitsstrategie regelmäßig aktualisiert werden, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Beispiel: Eine Klinik führte regelmäßige Audits ihrer Sicherheitsmaßnahmen durch und passte diese an, sobald neue Bedrohungen identifiziert wurden. Dies ermöglichte es der Klinik, schnell auf Veränderungen in der Bedrohungslage zu reagieren und ihre Sicherheitsstrategie kontinuierlich zu verbessern.

4. Fazit: Sicherheit als integraler Bestandteil des Klinikbetriebs

Das KRITIS-Dachgesetz, das im Oktober 2024 in Kraft tritt, zwingt Kliniken dazu, ihre Sicherheitsstrategien umfassend zu überdenken. Ein ganzheitlicher Ansatz, der technische, organisatorische und kooperative Maßnahmen umfasst, ist unerlässlich, um den Klinikbetrieb zu schützen und die gesetzliche Konformität zu gewährleisten. Durch die schrittweise Einführung von Maßnahmen, die Identifizierung verborgener Risiken und die enge Zusammenarbeit mit externen Partnern können Kliniken eine robuste Sicherheitsstrategie entwickeln, die sowohl aktuellen als auch zukünftigen Herausforderungen gewachsen ist.

5. Handlungsempfehlungen für die nächsten Schritte

5.1 Frühzeitige Planung und Risikobewertung

Kliniken sollten bereits jetzt mit der umfassenden Planung beginnen, um den Anforderungen des KRITIS-Dachgesetzes gerecht zu werden. Eine detaillierte Risikobewertung ist der erste Schritt, um Schwachstellen zu identifizieren und Prioritäten für die Sicherheitsstrategie zu setzen. Diese Bewertung sollte regelmäßig aktualisiert werden, um neuen Bedrohungen und veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.

5.2 Schulung und Sensibilisierung des Personals

Ein zentrales Element jeder Sicherheitsstrategie ist die Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter. Alle Angestellten, von der Verwaltung bis zum medizinischen Personal, müssen die Bedeutung von Sicherheitsmaßnahmen verstehen und wissen, wie sie im Alltag zur Sicherheit beitragen können. Regelmäßige Schulungen, Sicherheitsübungen und klare Kommunikationswege sind essenziell, um das Bewusstsein und die Reaktionsfähigkeit auf potenzielle Bedrohungen zu stärken.

5.3 Etablierung eines Notfallmanagements

Die Entwicklung und Implementierung eines umfassenden Notfallmanagements ist entscheidend, um auf Krisensituationen vorbereitet zu sein. Kliniken sollten klare Notfallpläne erstellen, die nicht nur technische Störungen, sondern auch logistische Herausforderungen, wie den Ausfall eines Lebensmittellieferanten, abdecken. Diese Pläne sollten regelmäßig getestet und angepasst werden, um sicherzustellen, dass sie in einer echten Krise effektiv sind.

5.4 Technologische Aufrüstung und Überwachungssysteme

Investitionen in moderne Technologie und Überwachungssysteme sind unerlässlich, um Sicherheitslücken zu schließen. Dazu gehört die Implementierung von Bewegungsmeldern, Zugangskontrollsystemen, IT-Sicherheitslösungen und Alarmanlagen, die sowohl interne als auch externe Bedrohungen abdecken. Eine kontinuierliche Überwachung und Wartung dieser Systeme ist notwendig, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten.

5.5 Kooperation und Vernetzung mit anderen kritischen Infrastrukturen

Die enge Zusammenarbeit mit anderen kritischen Infrastrukturen, wie Energieversorgern, IT-Dienstleistern und Lieferanten, ist unerlässlich, um Synergien zu nutzen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen zu erhöhen. Kliniken sollten regelmäßige Abstimmungen und gemeinsame Krisenübungen mit diesen Partnern durchführen, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten auf mögliche Notfälle vorbereitet sind.

5.6 Erstellung einer langfristigen Sicherheitsstrategie

Eine nachhaltige Sicherheitsstrategie sollte langfristig ausgerichtet sein und über das bloße Erfüllen gesetzlicher Vorgaben hinausgehen. Kliniken müssen kontinuierlich in ihre Sicherheitsinfrastruktur investieren und bereit sein, auf neue Bedrohungen flexibel zu reagieren. Dies erfordert eine strategische Planung, die sowohl kurzfristige Maßnahmen als auch langfristige Ziele umfasst.

Abschließende Bemerkungen

Das Inkrafttreten des KRITIS-Dachgesetzes im Oktober 2024 markiert einen Wendepunkt für Kliniken in Deutschland. Es unterstreicht die Notwendigkeit, Sicherheitsfragen ganzheitlich zu betrachten und umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um den Klinikbetrieb und die kritischen Infrastrukturen, von denen er abhängt, zu schützen. Indem Kliniken proaktiv handeln, können sie nicht nur den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden, sondern auch ihre Widerstandsfähigkeit stärken und das Vertrauen von Patienten, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit langfristig sichern.