Gute Flucht- und Rettungspläne können alle Menschen in allen Situationen lesen und verstehen. Und sie führen zuverlässig und schnellstmöglich in Sicherheit. Doch das ist gar nicht so einfach.
Treffen Reisende in einem Hotel ein, schauen sie sich erst einmal um. Sie gehen durch die einladende Lobby zur Rezeption, werden dort herzlich empfangen, auf die Vorzüge ihres bevorstehenden Aufenthalts aufmerksam gemacht und in ihr Zimmer begleitet. Aufzüge und Gänge sind in Hotels deshalb ebenfalls hübsch gestaltet. Im Raum angekommen wirken die Zimmergrösse, das Bett, das Badezimmer oder das Unterhaltungsequipment auf die Gäste – und nachdem sie auf ihrem Weg ins Zimmer schon an zahlreichen Flucht- und Rettungsplänen vorbei gingen, werfen viele Gäste spätestens jetzt einen Blick darauf.
Was sie dann sehen, stimmt sie hingegen nicht immer zuversichtlich und gibt ihnen recht, sich schon vorab damit beschäftigt zu haben. Denn oft sind Flucht- und Rettungspläne schlicht zu detailliert und unübersichtlich gestaltet oder entsprechen nicht der tatsächlichen Architektur des Gebäudes. Einige sind unverständlich, andere weisen in die falsche Richtung oder berücksichtigen unüberwindbare Hürden nicht – zum Beispiel verriegelte Türen oder versperrte Notausstiege.
Sicherheit gewährleisten
Flucht- und Rettungspläne haben eine ganz zentrale Aufgabe: sie sollen Menschen in oder vor einem Notfall orientieren, ihnen ihre Flucht- und Rettungswege aufzeigen, Hinweise über Erste-Hilfe- und Brandschutz-Einrichtungen geben und Regeln für das Verhalten im Brandfall oder bei Unfällen vermitteln. Damit die Pläne in einem Notfall einen tatsächlichen Nutzen haben, müssen sie einfach und nachvollziehbar gestaltet werden, so dass der Weg in Sicherheit schnell deutlich und vor allem unmissverständlich ist. So lässt sich zudem Panik verhindern und selbst die Rettungskräfte profitieren davon – sie können sich im Einsatz schneller orientieren und sicherer bewegen.
Deshalb sind Flucht- und Rettungspläne in der Schweiz für viele Gebäude vorgeschrieben. Für die meisten Gebäude in der Schweiz gilt die Brandschutznorm der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) und im Speziellen Artikel 17, Absatz 2, der besagt: Eigentümer und Nutzerschaft von Bauten und Anlagen sorgen dafür, dass die Sicherheit von Personen, Tieren und Sachen gewährleistet ist. In diesem Rahmen gilt es zu entscheiden, ob und wann Flucht- und Rettungspläne die Sicherheit verbessern.
Für Hotelbetriebe sind natürlich die Vorgaben des Unternehmerverbands hotelleriesuise massgebend. Der unter den Hoteliers bekannte Kriterienkatalog “Statistik/Sicherheit“ ist ein wichtiges Tool um die Qualitätsstandards der Schweizer Hotels sicher zu stellen. Der Zimmer-Fluchtplan gehört gemäss Kriterienkatalog zu den obligatorischen Massnahmen um die persönlichen Sicherheit des Gastes zu gewährleisten.
In Deutschland gilt die Muster-Beherbergungsstättenverordnung – MBeVO, welche unter §11 Abs. 2 besagt: In jedem Beherbergungsraum sind an dessen Ausgang ein Rettungswegplan und Hinweise zum Verhalten bei einem Brand anzubringen. Die Hinweise müssen auch in den Fremdsprachen, die der Herkunft der üblichen Gäste Rechnung tragen, abgefasst sein.
Die Hotels im In- und Ausland unterliegen jedoch nicht nur den Richtlinien der Behörden und Branchenverbände, sie werden ausserdem von Ihren Kunden, den internationalen Reiseveranstaltern und Airlines kontrolliert. Diese Kontrolle kann in Form einer Selbstauskunft durch eine ausgefüllte Checkliste oder in Form von Audits erfolgen. In beiden Fällen werden unter anderem ausreichende und frei zugängliche Fluchtwege sowie das Vorhandensein von Flucht- und Rettungsplänen abgefragt resp. kontrolliert.
Die Darstellung
Die Normen ISO 23601 und SN EN ISO 7010 geben darüber Auskunft, wie Flucht- und Rettungspläne genau auszusehen haben. Die ISO 23601 ist eine internationale Norm und gibt vor, dass die Pläne farblich angelegt sein müssen und dazu die Sicherheitsfarben und -piktogramme gemäss der SN EN ISO 7010 zu verwenden sind. Diese Piktogramme sollen den tatsächlich verwendeten Fluchtwegkennzeichen im Gebäude entsprechen. Der Massstab der Pläne darf sich innerhalb eines Gebäudes nicht unterscheiden. Jeder Standort muss mit allen Symbolen und Texten so gedreht und positioniert sein, dass der Betrachter den Plan stets lagerichtig vor sich sieht. Zudem müssen die auf das Objekt zugeschnittenen Regeln für das Verhalten im Brandfall und bei Unfällen aufgeführt werden: interne Notfallnummern, spezielle Alarmierungshinweise oder besondere Vorschriften zur Evakuierung. In Hotels sollten diese Regeln mehrsprachig ausgeführt sein. Es empfiehlt sich mindestens die drei Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch auf dem Plan abzubilden. Wenn möglich, werden die Sprachen sogar den Zielgruppen entsprechend ausgewählt. Hinzu kommen Angaben zum Ersteller der Pläne, dem Objekt und Stockwerk sowie das Erstellungsdatum und die Nummer des Plans.
Hält man sich an die oben genannten international anerkannten Normenwerke, ist sichergestellt, dass die Fluchtwegpläne auch den ausländischen Sicherheitsaudits gerecht werden. Ganz zu schweigen vom verbesserten Nutzen für die ausländischen Gäste.
Allerdings gibt es keine Regelung zur Art der Erstellung von Flucht- und Rettungsplänen. Sind alle nötigen Elemente vorhanden und korrekt abgebildet, können sie sogar von Hand gezeichnet werden. Unter vielen Gästen hinterlassen solche Zeichnungen jedoch einen fahlen Nachgeschmack. Setzt ein Hotel auf Geschäftskunden, muss es unbedingt einfache, nachvollziehbare, korrekte und zuverlässige Flucht- und Rettungspläne bieten, die Vertrauen schaffen und auch im Notfall erkennbar bleiben und schnell und sicher nach draussen führen. Denn genau zu diesem Zweck sind sie da.
Begehung und Analyse
In der Praxis bedeuten diese Richtlinien und Vorgaben in erster Linie mehr Arbeit als gedacht. Wer einen Flucht- und Rettungsplan gestaltet, muss einleitend einen genauen und realitätsgetreuen Grundriss erstellen. Ohne diese Grundlage funktioniert kein Plan zuverlässig. In einer ausführlichen Begehung des Gebäudes werden dann sämtliche Besonderheiten und Begebenheiten aufgenommen und analysiert. Jeder Flucht- und Rettungsweg wird so lange überprüft, bis der Sicherheitsbeauftragte selbst auf dem Sammelplatz im Freien steht. Alle Löschposten, Feuerlöschkästen und Erste-Hilfe-Kästen auf diesem Weg werden auf Ort, Inhalt und Vollständigkeit untersucht.
In dieser Phase dürfen Sicherheitsbeauftragte nicht in Zeitdruck geraten, sondern sollen sich mit Argusaugen und viel Geduld durch den gesamten Betrieb bewegen. Oft sind Flucht- und Rettungswege durch Vorhängeschlösser verschlossen, durch gelagerte Kisten und Paletten versperrt oder durch Lieferwägen von aussen zugeparkt. In Bergregionen hat ausserdem der Sicherheitsbeauftragte dafür Sorge zu tragen, dass keine Schneeverwehungen Fluchtwege blockieren können. Solche Hindernisse gilt es zu beachten, präventiv zu umgehen und nachhaltig zu verhindern. Geschehen hier Fehler, ziehen sich diese anschliessend durch die gesamte Notfallplanung und -Organisation.
Erstellung und Montage
Erst dann geht es an die Gestaltung und Erstellung, den Druck und die Montage der Pläne. In Hotels sind die Zimmer-Fluchtwegpläne obligatorisch. Sie sollten im Zimmer, gut sichtbar, im Bereich der Zimmertür angebracht werden. In der Regel werden zusätzliche Etagenpläne im Bereich der Stockwerkszugänge oder Notausgängen montiert. Die Etagenpläne erleichtern den Gästen auch im Normalbetrieb die Orientierung.
Lang nachleuchtende Materialien oder Notbeleuchtungen können im Notfall einen entscheidenden Mehrwert bieten, sind jedoch nicht vorgeschrieben.
Neben den Raumnummern sollten markante Orientierungspunkte wie Toiletten, Konferenzräume, Aufzüge oder Produktionsbereiche aufgeführt werden. Aber mit Mass. Zu viele architektonische Details, bunte Symbole oder farbliche Kennzeichnungen lenken ab und verwirren. Das gilt ebenfalls für international nicht verwendete Piktogramme und schriftliche Bezeichnungen oder Ausführungen. Fremdsprachige Gäste verstehen sie nicht. Doch genau dies ist das Ziel von guten Flucht- und Rettungsplänen: dass sie alle Menschen in allen Situationen lesen und verstehen können.
Risiko lohnt sich nicht
Wer sie vernachlässigt, nicht aktualisiert oder nicht gemäss den Richtlinien und Normen anbringt, der riskiert viel. Wie erwähnt tragen die Eigentümer und Nutzerschaft von Gebäuden die Verantwortung für die Sicherheit innerhalb dieser Bauten. Führen fehlerhafte Flucht- und Rettungspläne zu einem Ereignis mit dramatischen Folgen, ist nicht nur der Einfluss auf das Image des Betriebes existenzbedrohend, sondern auch straf- und zivilrechtlich stehen langwierige und höchst unangenehme Untersuchungen und Prozesse an. Dieses Risiko lohnt sich auf keinen Fall, zumal gute Flucht- und Rettungspläne überhaupt nicht teuer sein müssen und deren Ausführungen für die unterschiedlichsten Anforderungen und Budgets erhältlich sind. Wem die Zeit fehlt sich damit zu beschäftigen, findet am Markt Gesamtpakete und kann von der Bestandsaufnahme über die Konzeption, Gestaltung, Lieferung und Montage bis hin zur regelmässigen Überprüfung der Pläne ausgewiesenen Profis vertrauen. Denn eine gute Planung ist bereits der halbe Flucht- und Rettungsweg.
Zum Autor: *Marco Wunderle ist Brandschutzberater und Geschäftsführer der CSF Wunderle GmbH, Telefon: +41 52 635 40 40 info@csfwunderle.com www.csfwunderle.ch