Gute Flucht- und Rettungspläne können alle Menschen in allen Situationen lesen und verstehen. Und sie führen zuverlässig und schnellstmöglich in Sicherheit. Doch das ist gar nicht so einfach.
*Marco Wunderle
Wo Menschen mit hochgefährlichen Stoffen arbeiten, ist nicht nur höchste Konzentration gefragt, sondern auch eine zuverlässige und einwandfreie Notfallplanung. Nichts und niemand ist vor gewissen Risiken und Gefahren gefeit: Feuer und Explosionen, Gefahrenstoffe, austretende Gase, Säuren oder Chemikalien, Arbeitsunfälle mit Verletzungen – die Liste ließe sich erweitern. In einem Notfall gilt es deshalb, sich möglichst schnell in Sicherheit
bringen zu können. Hier kommen Flucht- und Rettungspläne ins Spiel. Sie sollen Mitarbeitende und Besucher in einem Betrieb in oder vor einem Notfall orientieren, ihnen ihre Flucht- und Rettungswege aufzeigen, Hinweise über Erste-Hilfe-Einrichtungen sowie brandschutztechnische Einrichtungen geben und Regeln für das Verhalten im Ereignisfall vermitteln. Dampfkesselanlage mit Piktogrammen.
Damit die Pläne in einem Notfall einen tatsächlichen Nutzen haben, müssen sie einfach und nachvollziehbar gestaltet werden, so dass der Weg in Sicherheit schnell deutlich und vor allem unmissverständlich ist. So lässt sich zudem Panik verhindern, und selbst die Rettungskräfte profitieren davon – sie können sich im Einsatz schneller orientieren und sicherer bewegen. Leider zeigt die Realität häufig andere Bilder: Flucht- und Rettungspläne sind zu detailliert und unübersichtlich gestaltet oder entsprechen nicht der tatsächlichen Architektur des Gebäudes. Einer der meist begangenen Fehler ist, wenn die Pläne nicht lagerichtig gezeichnet, respektive montiert sind und der Grundrissplan für den Betrachter verdreht dargestellt ist.
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Sicherheit gewährleisten
In der Schweiz sind Flucht- und Rettungspläne für viele Gebäude vorgeschrieben. Im Zentrum steht dabei die Brandschutznorm der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) und im Speziellen Artikel 17, Absatz 2, der besagt: Eigentümer und Nutzer von Bauten und Anlagen sorgen dafür, dass die Sicherheit von Personen, Tieren und Sachen gewährleistet ist. In diesem Rahmen gilt es zu entscheiden, ob und wann Flucht- und Rettungspläne die Sicherheit verbessern. Leicht fällt diese Entscheidung für Gebäude mit großer Personenbelegung wie Beherbergungsbetriebe, Spitäler, Schulen, öffentliche Ämter, Kinos, Theater, Verkaufsläden, Bahnhöfe oder Flughäfen – oder für Immobilien mit besonderen betrieblichen Gefahren, wie sie im produzierenden Gewerbe, in der chemischen und pharmazeutischen Industrie, bei Energieerzeugern oder in Betrieben mit Gefahrengütern bestehen. Auch in Bauten mit großen und komplexen Strukturen wie in Hochhäusern, automatischen Hochregallagern oder an Produktionsstraßen geht es keinesfalls ohne. Kurz: Flucht- und Rettungspläne sind in jedem Gebäude sinnvoll, in welchem sich Arbeitnehmer oder Besucher aufhalten.
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Die Darstellung
Die Normen SN EN ISO 23601 und 7010 geben darüber Auskunft, wie Flucht- und Rettungspläne genau auszusehen haben. Die ISO 23601 gibt vor, dass die Pläne farblich angelegt sein müssen und dazu die Sicherheitsfarben und -piktogramme gemäss der SN EN ISO 7010 zu verwenden sind. Diese Piktogramme sollten den tatsächlich verwendeten Fluchtwegkennzeichen im Gebäude entsprechen. Der Massstab der Pläne darf sich innerhalb eines Gebäudes nicht unterscheiden. Jeder Standort muss mit allen Symbolen und Texten so gedreht und positioniert sein, dass der Betrachter den Plan stets lagerichtig vor sich sieht. Zudem müssen die auf das Objekt zugeschnittenen Regeln für das Verhalten im Brandfall und bei Unfällen aufgeführt werden: interne Notfallnummern, spezielle Alarmierungshinweise oder besondere Vorschriften zur Evakuierung. Hinzu kommen Angaben zum Ersteller der Pläne, dem Objekt und Stockwerk sowie das Erstellungsdatum und die Nummer des Plans. Allerdings gibt es keine Regelung zur Art der Erstellung von Flucht- und Rettungsplänen. Sind alle nötigen Elemente vorhanden und korrekt abgebildet, können sie sogar von Hand gezeichnet werden. Jedoch hinterlassen solche Zeichnungen sowohl unter Mitarbeitenden als auch unter Besuchern einen fahlen Nachgeschmack. Besonders in der chemischen und pharmazeutischen Industrie braucht es unbedingt einfache, nachvollziehbare, korrekte und zuverlässige Flucht- und Rettungspläne, die Vertrauen schaffen und auch im Notfall erkennbar bleiben und schnell und sicher nach draußen führen. Denn genau zu diesem Zweck sind sie da.
Begehung und Analyse
In der Praxis bedeuten diese Richtlinien und Vorgaben in erster Linie mehr Arbeit als gedacht. Wer einen Flucht- und Rettungsplan gestaltet, muss einleitend einen genauen und realitätsgetreuen Grundriss erstellen. Ohne diese Grundlage funktioniert kein Plan zuverlässig. In einer ausführlichen Begehung des Gebäudes werden dann sämtliche Besonderheiten und Begebenheiten aufgenommen und analysiert. Jeder Fluchtund Rettungsweg wird so lange überprüft, bis der Sicherheitsbeauftragte selbst auf dem Sammelplatz im Freien steht. Alle Löschposten, Feuerlöschkästen und Erste-Hilfe-Kästen auf diesem Weg werden auf Ort, Inhalt und Vollständigkeit untersucht. In dieser Phase dürfen Sicherheitsbeauftragte nicht in Zeitdruck geraten, sondern sollen sich mit Argusaugen und viel Geduld durch den gesamten Betrieb bewegen. Oft sind
Flucht- und Rettungswege durch Vorhängeschlösser verschlossen, durch gelagerte Kisten und Paletten versperrt oder durch Lieferwägen von außen zugeparkt. Solche Hindernisse gilt es zu beachten, präventiv zu umgehen und nachhaltig zu verhindern. Geschehen hier Fehler, ziehen sich diese anschließend durch die gesamte Notfallplanung und -organisation.
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Erstellung und Montage
Erst dann geht es an die Gestaltung und Erstellung, den Druck und die Montage der Pläne. Sie sollten gut sichtbar und an strategisch wichtigen Punkten der Flucht- und Rettungswege angebracht werden: Eingänge und Lobbys, Stockwerkzugänge und Stempeluhren, Cafeterias und Garderoben, im Bereich von Fluchtweg-Kreuzungen oder bei Zugängen zu Gefahrenbereichen, Gefahrstofflagern oder Ex-Zonen. Lang nachleuchtende Materialien oder Notbeleuchtungen können im Notfall einen entscheidenden Mehrwert bieten, sind jedoch nicht vorgeschrieben. Markante Orientierungspunkte wie Toiletten, Konferenzräume, Aufzüge oder spezielle Produktionsbereiche sollten unbedingt aufgeführt werden. Aber mit Maß. Zu viele architektonische Details, bunte Symbole oder farbliche Kennzeichnungen lenken ab und verwirren. Das gilt ebenfalls für Piktogramme die keiner Norm entsprechen sowie schriftlicher Bezeichnungen oder Ausführungen. Besucher und Kunden aus dem Ausland verstehen sie nicht. Doch genau dies ist das Ziel von guten Flucht- und Rettungsplänen: dass sie alle Menschen in allen Situationen lesen und verstehen können.
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Risiko lohnt sich nicht
Wer sie vernachlässigt, nicht aktualisiert oder nicht gemäss den Richtlinien und Normen anbringt, der riskiert viel. Wie erwähnt tragen die Eigentümer und Nutzer
von Gebäuden die Verantwortung für die Sicherheit innerhalb dieser Bauten. Führen fehlerhafte Flucht- und Rettungspläne zu einem Ereignis mit dramatischen Folgen, ist nicht nur der Einfluss auf das Image des Betriebes existenzbedrohend, sondern auch straf- und zivilrechtlich stehen langwierige und höchst unangenehme Untersuchungen und Prozesse an. Dieses Risiko lohnt sich auf keinen Fall, zumal gute Flucht- und Rettungspläne überhaupt nicht teuer sein müssen und deren Ausführungen für die unterschiedlichsten Anforderungen und Budgets erhältlich sind. Wem die Zeit fehlt sich damit zu beschäftigen, findet am Markt Gesamtpakete und kann von der Bestandsaufnahme über die Konzeption, Gestaltung, Lieferung und Montage bis hin zur regelmäßigen Überprüfung der Pläne ausgewiesenen Profis vertrauen. Denn eine gute Planung ist bereits der halbe Flucht- und Rettungsweg.
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Zum Autor: *Marco Wunderle ist Brandschutzberater und Geschäftsführer der CSF Wunderle GmbH, Telefon: +41 52 635 40 40 info@csfwunderle.com www.csfwunderle.ch
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