Sicher reisen oder zu Hause bleiben?

 
Michael Wurche (Lufthansa – Manager i. R.)

Michael Wurche ein ehemaliger Lufthansamanager gibt im folgenden Bericht einige praktische Sicherheitstipps, die bei Reisen grundsätzlich zu beachten sind.

Unruhen, Demonstrationen, Bombenanschläge, Überfälle, Naturkatastrophen, – Reisende können kritische  bis gefährliche Situationen erleben, selbst in Europa. Muß man heutzutage mehr Angst um sein Leben haben als früher? Sollte man jetzt also lieber zu Hause bleiben? Hatte der Dichter Eugen Roth recht, als er schrieb: „Die besten Reisen, das steht fest, sind oft die , die man unterlässt!“

Da­bei sind die ge­fähr­lichs­ten Orte die ei­ge­nen vier Wän­de: Je­des Jahr ster­ben in Deutsch­land fast 10 000 Men­schen bei Haus­halts­un­fäl­len. Und der größte Feind des Urlaubers ist weder der Terrorist  noch der Strassenräuber sondern der leichtsinnige Reisende selbst.  Dem will ich seit Jahren mit Seminaren zur Reisesicherheit abhelfen, und ich weiss, wovon ich rede. Ich habe 45 meiner 76 Lebensjahre als Lufthansa Auslandsmanager und dann als Sicherheitsberater in 30 z.T. sicherheitskritischen Ländern Lateinamerikas und Afrikas wie Nigeria verbracht, erlebte mehrere schwere Erdbeben, Terroranschläge, Hotelbrände, eine Notlandung; zudem Aufstände, die ägyptische Revolution von 2011, – (in Kairo lebe ich seit 21 Jahren), und ich wurde in Bolivien entführt. Trotzdem reise ich immer noch gern, beachte jetzt aber eine Reihe von Vorsichtsmaßregeln, denn ich weiß: Sicherheit Ist zu 90 % Prävention. Routine ist ein Killer!  Die folgenden Tipps sind nicht für den Schwarzwaldurlaub und nur wenige davon  für  Urlaubsorte wie Mallorca gedacht  sondern vor allem für Reisen in sicherheitskritische Länder.

Standard-Reisevorbereitungen

Länderrisiken (Quelle: EXOP GmbH – https://www.exop-group.com/de/)

Die Vorbereitung Ihrer Reise ist elementar wichtig, und hier bedarf es nur weniger praktischer Tipps.  Ob Sie beruflich unter Leistungsdruck abgelenkt unterwegs sind oder die Reise als Urlauber entspannt geniessen: Sie sollen sicher und gesund heimkehren. Routinierte Reisende haken vor dem Start jedes Mal eine Check Liste ab, den für jede Reise gilt die   5 P-Regel: „proper planning prevents possible problems“ = richtiges Planen verhindert mögliche Probleme. Dazu gehören diese Punkte: Vorab-Information  einholen – Versicherungen aktualisieren – Impfungen überprüfen – Dokumentenkopien sichern – Reiseprogramm und Daten hinterlassen und aktualisieren – Kontakte im Zielland einschalten – Vertraulichkeit des Programms sicherstellen.

Informationsquellen

Informieren Sie sich frühzeitig über Ihr Reiseziel.   Das können Sie über die weltweiten Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts (AA) tun:

Wenn Sie in sicherheitskritische Länder reisen, registrieren Sie sich am besten über die deutsche Botschaft in der AA Krisenvorsorgeliste.

Auch  die Handelskammer des Ziellandes hält aktuelle Infos für Reisende bereit. Die Vorbereitung und die Kenntnis der lokalen Verhältnisse ist bei Reisen von entscheidender Bedeutung, um unauffällig reisen und ungestört arbeiten zu können. 

Ihre Gesundheit

Ihre Gesundheit ist ein ganz wichtiger Vorsorgepunkt. Dazu können Sie die reisemedi-zinischen Hinweise und die Merkblätter des Gesundheitsdienstes  des AA  konsultieren. Bitte beachten:

  • Überprüfen Sie Ihren Impfpass
  • Sind die nötigen Impfungen wie Tetanus noch wirksam?
  • Brauchen Sie länderspezifische Impfungen wie gegen Geldfieber?
  • Benötige ich eine internationale Reise-Krankenversicherung und eine Rückholversicherung?

Die Dienste einer internationalen Assist Firma für den Fall einer Heimholung kosten den Versicherten nicht die Welt, wohl aber der Ambulanzflug eines Kranken oder Verletzten ohne Versicherung. Viele Firmen schliessen für ihre Mitarbeiter in Dritte Welt Ländern zudem eine Versicherung gegen Entführungskosten ab. Meine bolivianische Entführung kostete die Lufthansa 1983 mehrere Millionen, denn damals hatte sie keine Entführungs-versicherung.

Achten Sie auf Ihre Dokumente

Hüten Sie Ihre Dokumente. Laufen Sie nicht mit Ihrem Pass herum, sondern tragen Sie unterwegs im Zielland nur eine Kopie bei sich, mit dem Einreisestempel, damit Sie das Original im Hotelsafe lassen können.

Was ich auf jeden Fall stets mache: ich hinterlege gescannte Kopien von Pass und Flugtickets in in den elektronischen Files der Computer von Familiengehörigen oder Kollegen zu Hause.

Bei einem, Verlust erleichtert das Nachsenden  die konsularische Hilfe und die einer Airline. Die braucht allerdings für die Abfertigung nur den Filekey Ihres Tickets, Ihre Buchungsnummer.  Machen Sie ebenso Kopien von Ihren Kreditkarten, und halten Sie eine Liste von Rufnummern zur Kartensperrung bereit, (u. a. Sperrnotruf  +49 30 4050 4050 und +49 116 116,  die Sie getrennt von den Wertgegenständen aufbewahren.

Diese  Tipps sollten bei Firmen und Institutionen die Grundlage von verbindlichen  Reiseregeln für alle Mitarbeiter sein. Im Idealfall bietet die Firma Sicherheitsseminare und Trainings durch kompetente Dienstleister an sowie jährliche Auffrischungskurse.

Das Verhalten im Reiseland

Unauffälligkeit , Aufmerksamkeit und festes Auftreten schützen.

Die 4 Elemente der Sicherheit sind Vorbereitung, Unauffälligkeit, Routinen vermeiden und Aufmerksamkeit. Für eine Gewalttat wie einen Überall braucht es drei Bedingungen:

  1. die Absicht des Täters,
  2. seine Fähigkeit, z.B. durch Bewaffnung,
  3. und die Gelegenheit.

Reisende haben nur auf die Gelegenheit Einfluss, die müssen Sie  also vermeiden und verhindern. Folgen Sie Ihrem Bauchgefühl und vermeiden Sie Konfrontationen und kritische Situationen.

Die 3 Strategien der Prävention:

  1. Vermeidungs-Strategie
  2. Strategie derVerhinderung
  3. Krisen-Management
 Unauffälligkeit:

Markieren Sie Ihr Gepäck nicht mit dem Firmenaufkleber wie „Mercedes Benz“ oder „Siemens“,- und verzichten Sie auf den liebgewonnenen Senator- oder Frequent Flyer-Kofferanhänger, der Sie als wertvolles Opfer kennzeichnet,- am Flughafen aber auch im Hotel. Fallen Sie nicht durch Kleidung, Schmuck, eine kostbare Uhr und teures Markengepäck auf. Bieten Sie keinen Anreiz: „Low profile“ schützt, Unauffälligkeit hilft, denn: „Graue Mäuse leben länger“

Und für Ihre Aufmerksamkeit git der Spruch: „What you see is what you get. What you don’t see gets you!“ („Was Sie sehen, kriegen Sie, Was Sie nicht sehen, kriegt Sie!”)

Der Schlüssel für das Überleben in kritischen Situationen ist es, sich nicht überraschen zu lassen, dann erstarren Sie nicht bei Gefahr und verfallen nicht in Panik.

Auftreten und Erscheinungsbild:

Treten Sie nicht ängstlich sondern entschlossen und energisch auf, schauen Sie aufmerksam um sich, damit Sie stets als „hartes Ziel“ erscheinen, als jemand, der/die aufmerksam, wehrhaft ist und daher besser in Ruhe gelassen werden sollte.

Wo lauern Gefahren?

Beipiel 1:

Während Sie im Flugzeug auf die Toilette gehen, sucht ein anderer Passagier oben in der Gepäckablage in Ihrem Handgepäck herum, was niemandem auffällt. An der Passkontrolle im Reiseland fehlen Ihnen plötzlich Passs, Geld und Kreditkarten. Das alles hat der andere Gast in Seelenruhe aus Ihrem Handgepäck herausgekramt. Das nächst Mal nehmen Sie Ihre Dokumentenmappe mit auf die Toilette oder nutzen wie ich einen Aluminium-Handkoffer mit Zahlenschloss.

Beispiel 2:

Bei der Ankunft in Lagos werden Sie abgeholt, ein Nigerianer hält ein Schild mit Ihrem Namen und die Firmenbezeichnung hoch. Der Mann fährt Sie in eine dunkle Gegend, wo seine bewaffneten Kumpane auf Sie warten, die Sie in Seelenruhe bis auf die Unterwäsche ausrauben. Das passierte Freunden von mir. Deren vorgesehene Abholer war „krank geworden“ oder mit Drohungen vertrieben worden. Ich beispielsweise, liess in West Afrika nur eine Vertrauensperson von meiner Ankunft wissen, holte den  Namen des Abholers ein, der sich mir ausweisen und ein Codewort nennen musste. Und weder mein Name noch meine Firma standen auf dem Abholerschild sondern ein willkürlich gewähltes Kennwort.

Taxis können gefährlich sein, nehmen Sie nur offizielle Flughafen- und Hoteltaxis. Fotografieren Sie das Taxi für den Fahrer sichtbar mit dem Handy, als wenn Sie das Bild weiterleiten.

Hotels: kein Zimmer unter dem 3. Stock (Autobomben-Druckwellen) und über dem 6. Stock, über das keine Feuerwehrleiter hinausreicht. Zimmer-Safes sind nicht sicher; deponieren Sie Geld und Wertsachen im Safe an der Rezeption.

Unterwegs: Ihre Kollegen zu Hause sollten stets wissen, wann Sie wo sind. Teilen Sie denen Programmänderungen mit. Vermeiden Sie kritische Gegenden, vor allem abends und nachts, und lassen Sie sich nie von Ihnen unbekannten freundlichen Einheimischen zu denen nach Hause einladen, auch und gerade nicht von netten jungen Damen. Denen verdankte mein Nachfolger in Lagos einen Überfall, bei dem die Gangster sich erstaunlicherweise gut auf dem Grundstück und im Haus auskannten.

„grab & snatch“: Vermeiden Sie es, eine Tasche zu tragen. Eine Bauchtasche ist sicherer, wenn auch deren Gurt abgeschnitten werden kann, – es sei denn, Sie haben ihn vorsichtshalber mit einem starken Draht verstärkt. Tragen Sie doch eine Tasche, dann  von der Strasse abgewandt. Schlingen Sie nie die Taschenhenkel um den Körper . Wenn Ihnen Räuber die Tasche von einem Motorrad aus wegreissen wollen, könnten Sie stürzen und sich verletzen.

„Smash & grab“: Nichts sichtbar im Auto liegen lassen, auch, während Sie fahren. Beim Stopp im Stau könnte man eine Scheibe einschlagen und Ihren Laptop vom Rücksitz stehlen.

Carnapping: Jemand zwingt Sie mit vorgehaltener Waffe, ihn mit Ihrem Auto in eine entlegene Gegend zu fahren. Jetzt wissen Sie nicht: werden Sie nur ausgeraubt, der Wagen gestohlen, oder will er Sie gar ermorden? Schnallen Sie sich an und fahren Sie  in einer belebten Gegend mit 30-40 km/h  gegen ein Hinternis, eine Mauer oder einen anderen Wagen,- im Idealfall ein Polizeiauto. Der Gangster wird nicht schiessen sondern sich vor dem Aufprall  festhalten, und Sie können weglaufen.

Überfälle: Wehren Sie sich nicht, lassen Sie stets Ihre Hände sehen und vermeiden Sie schnelle Bewegungen. Vermeiden Sie Augenkontakt, der könnte als Bedrohung empfunden werden. Geben Sie Bewaffneten nicht in die Hand, was sie fordern. Werfen oder legen Sie Ihre Geldbörse oder die Uhr ein paar Meter neben ihn. Wenn sich der Gangster dann nach dem Geld bückt, nicht eher, können Sie ungefährdet weglaufen.

Geldautomaten: Diese sind besonders riskante Punkte. Heben Sie Geld lieber in der Bank oder an der Hotel Rezeption ab, wo man Sie und das Geld nicht genau sehen kann.

Entführungen: Jedes Jahr finden ca. 400 000 Entführungen weltweit statt, selbst in Deutschland im Schnitt 80. Aufmerksamkeit und Vermeiden von Bewegungsroutinen erschweren Entführungen. Ich wurde in Bolivien 3 Monate lang observiert und vom selben Auto verfolgt. Mit etwas Aufmerksamkeit hätte ich die Entführer durch ein paar für die Kerle sichtbar von ihnen angefertigte Fotos abgeschreckt.

Ein unbekannter Abenteurer sagte mal: „Travel can be murder“,- „Reisen können mörderisch sein.“ Das müssen Sie nicht, Reisen können und sollen Spass machen, auch wenn man bewusst vorsichtig und aufmerksam unterwegs ist. Ich reise trotz oder wegen der vielen Abenteuer gern, dich ich schon erlebte, und ich stimme dem ägyptischen Literatur Nobelpreisträger Naguib Mahfouz zu, der schrieb: Angst verhindert nicht den Tod. Sie verhindert das Leben.

Autor: Michael Wurche, in Kairo im August 2019

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Sollten Sie Fragen an  Herrn Wurche haben oder grundsätzlich etwas über das Thema Sicherheit wissen wollen, so können Sie mich gerne kontaktieren. Hierzu klicken Sie bitte auf das Briefsysmbol.